Rückenerkrankungen beim Pferd
Dr. A. Fürst
Pferdeklinik der
Universität Zürich
Vorlesungsunterlagen, 2003
1. Einleitung
60-90 Prozent der Bevölkerung werden im Laufe ihres Lebens von
Rückenschmerzen geplagt. Rückenerkrankungen zählen beim Menschen zu der zweithäufigsten Ursache für Arbeitsausfälle und
gehören laut Statistiken der Invalidenversicherung zu den häufigsten Ursachen
für eine vorzeitige Invalidisierung und Rentenbezug. Dies sind Zahlen, die in
eindrücklicher Art belegen, wie wichtig und häufig Rückenbeschwerden beim
Menschen sind. Die Gründe dafür sind vielfältig, wobei der aufrechte Gang,
verbunden mit der „modernen Lebensweise“, eine entscheidende Rolle spielen.
Auch bei unseren Haustieren sind Rückenerkrankungen keine Seltenheit, wobei
vor allem das Pferd und der Hund betroffen sind. Bei Pferden zählen Sportpferde in gleichem Masse wie Freizeitpferde, junge wie auch ältere
Pferde zu unseren Patienten.
Es ist unklar, wie häufig Rückenerkrankungen bei Pferden vorkommen. Dies hängt damit zusammen, dass die Symptome der
Rückenerkrankungen sehr vielfältig und unspezifisch sind und die Diagnostik
schwierig und häufig mit grossem Kostenaufwand verbunden ist. Es ist zwar möglich,
die Wirbelsäule von Pferden mit modernen Techniken wie Röntgen oder Szintigraphie
zu untersuchen, wobei auch viele Veränderungen am Rücken gefunden werden. Es ist aber hinlänglich bekannt, dass
nicht jede radiologisch erkennbare Veränderung auch zu Schmerzen führt. Als
bekanntes Beispiel sollen nur die “Kissing spines” erwähnt werden, deren Schweregrad
der radiologischen Veränderungen selten mit den klinischen Symptomen
korrelieren. Tatsache ist jedoch, dass viele Pferde wegen chronisch
schmerzhaften Zuständen im Rückenbereich frühzeitig pensioniert werden müssen.
Man möchte glauben, dass Rückenerkrankungen beim Pferd eine
Zivilisationskrankheit darstellen. Doch wissenschaftliche Untersuchungen an
Pferden (Equus occidentalis), die
ca. 20000 bis 40000 Jahren vor der Zeitwende gelebt haben, konnten zeigen, dass
ca. 10 % der Pferde knöcherne Veränderungen an den Dornfortsätzen der Brust-
bzw. Lendenwirbelsäule aufwiesen.
2. Die Anatomie des
Rückens
Der Rücken zählt sicher mit zu den kompliziertesten Teilen des
Bewegungsapparates des Pferdes und ist auch recht schwierig zu verstehen.
Gerade aber diese Komplexität macht den Rücken so reizvoll und wird daher von
den verschiedensten Berufsgruppen untersucht und therapiert. Nicht zuletzt
wegen der Häufigkeit von Rückenerkrankungen bei Pferden ist die Anatomie und
Physiologie des Rückens ins Zentrum vieler Forschungsgruppen gerückt und dank
modernen Untersuchungsmethoden konnten in den letzten Jahren neue Erkenntnisse
gewonnen werden.
Unter dem Rücken versteht man die Region der Brust- und Lendenwirbelsäule mit den entsprechenden Knochen, Gelenken,
Bändern, Muskeln, Nerven und Sehnen. Der Rücken steht in enger Verbindung mit
anderen Körperabschnitten wie Kopf und Hals, Brust- und Bauchwand sowie auch
mit der Schulter- und Beckengliedmasse.
Der Rücken besteht aus vielen verschiedenen Gewebselementen, die eng
miteinander verbunden sind, aber getrennt besprochen werden sollen. Gerade beim
Rücken wird das enge Zusammenwirken der verschiedenen Strukturen wie Knochen,
Muskeln, Bänder, Sehnen und Nerven sehr deutlich.
a. Das knöcherne Skelett:
Die Brust- und Lendenwirbelsäule bildet das knöcherne Gerüst am Rücken. Von
der horizontalen Position her müsste man eigentlich eher von einer Wirbelbrücke
als von einer Wirbelsäule sprechen. Die Brust- und Lendenwirbelsäule ist im Vergleich
zur Halswirbelsäule wenig gebogen und ermöglicht aufgrund der besonderen
Bauweise nur wenig Bewegungen. Die
Wirbelkörper besitzen am vorderen und hinteren Ende eine Wachstumszone, durch
die das Längenwachstum ermöglicht wird. Das Wachstum der Wirbel wird erst sehr
spät abgeschlossen: die letzten Wachstumszonen der Wirbel verknöchern erst mit ca. 6 Jahren; zusätzlich gibt es an den
Dornfortsätzen der Brustwirbel eigene Verknöcherungszentren, die erst nach
einem Alter von über 10 Jahren das Wachstum beendet haben.
An der Brustwirbelsäule setzen seitlich die Rippen an, die zusammen mit dem
Brustbein den Brustkorb bilden.
b. Der Aufbau eines Wirbels
Die Wirbelsäule setzt sich aus den verschiedenen Wirbeln zusammen. Es sind
dies in der Regel 18 Brust- und 5-6 Lendenwirbel. Diese bestehen aus dem
Wirbelkörper, dem Wirbelbogen und den verschiedenen Fortsätzen: Dorn-, Quer-
und Gelenksfortsätze. Diese Fortsätze dienen als Ursprung oder zum Ansatz von
Muskeln, Sehnen und Bänder der betreffenden Gebiete. Die hohen Dornfortsätze
des 3.-12. Brustwirbels bilden die
knöcherne Grundlage des Widerristes. Die Dornen der vorderen 15 Brustwirbel
sind nach hinten, die der letzten Brust- und Lendenwirbel dagegen nach vorne
gerichtet.
c. Die Verbindung zwischen den
Wirbeln
Die Wirbel sind
untereinander über die Wirbelgelenke verbunden. Diese besitzen wie die übrigen
Gelenke eine Gelenkskapsel, Gelenksflüssigkeit, Seitenbänder und auch
Gelenksknorpel. Im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule sind diese Gelenksflächen
recht klein, was auch mit der geringen Beweglichkeit zusammenhängt. Die Gelenke
spielen in der Wirbelsäule ganz allgemein eine sehr wichtige Rolle, weil diese
äusserst zahlreich sind. Man muss nur bedenken, dass die Wirbelsäule über 185 getrennte verfügt. An den
Querfortsätzen von einigen hinteren Lendenwirbel gibt es noch zusätzliche
Gelenke: Zwischen dem 4. und 5. Lendenwirbel sowie zwischen dem letzten
Lendenwirbel und dem Querfortsatz des 1. Kreuzwirbels. Die Gelenkflächen dieser
Gelenke dienen dazu, den Vorwärtsschub von der Hintergliedmasse möglichst breit
abgestützt nach vorne zu bringen. Zwischen den Wirbelkörpern liegen die
Bandscheiben, die im Vergleich mit den Bandscheiben des Menschen recht klein
sind. So beträgt die Länge der Bandscheibe beim Pferd nur 10 % und beim
Menschen 20 % der Länge eines Wirbels. Diese Bandscheiben haben eine gewisse
Pufferwirkung und erlauben damit die Seitwärtsbewegungen sowie das Strecken und
Biegen der Wirbelsäule. Im Gegensatz zum Menschen besitzen die Bandscheiben
keinen Kern, wodurch der sogenannte Bandscheibenvorfall beim Pferd auch
theoretisch nicht möglich ist.
Schematische Zeichnung der
Lendenwirbel und der kurzen
Zwischenwirbelbänder
Die einzelnen Wirbel sind mit sehr straffen Bändern, die vor allem zwischen
den Knochenfortsätzen ausgespannt sind, verbunden. Je nach Lokalisation werden
sie als Zwischendornen-, Zwischenquer-, oder Zwischenbogenbänder oder zusammen
als kurze Zwischenwirbelbänder bezeichnet.
Bekannt sind besonders die Zwischendornenbänder, weil dort häufig Entzündungen
im Zusammenhang mit Kissing spines entstehen.
Neben diesen kurzen Zwischenwirbelbändern gibt es noch die langen Zwischenwirbelbänder, die für
die Funktion der sogenannten oberen Verspannung ausserordentlich wichtig sind.
Dazu zählen das Nackenband, das Rückenband (zusammen das Nackenrückenband)
sowie das obere und untere Längsband. Das Nackenband besteht aus der
Nackenplatte und dem Nackenstrang und ist ausserordentlich elastisch. Es
verbindet zusammen mit dem Rückenband das Hinterhauptsbein des Kopfes mit dem
oberen Ende aller Dornfortsätze und über Muskelfazien wird auch eine Verbindung
mit den grossen Gesäss- und Sitzbeinmuskeln hergestellt.
Das Nackerückennband des Pferdes
d. Die Rückenmuskulatur
Man könnte mehrere Seiten füllen, wenn man versuchen möchte, alle Muskeln,
die am Rücken wichtig sind, beschreiben zu wollen. Man könnte viele komplizierte Namen von grossen und
kleinen Muskeln aufzählen und mittels komplizierten Zeichnungen könnte man die
Verwirrung vergrössern. So vielfältig die Rückenmuskeln sind, so vielfältig
sind auch ihre Funktionen. Einzeln und zusammen mit benachbarten Muskelbäuchen
werden Aufgaben bei den verschiedensten Bewegungen des Pferdes übernommen.
Vereinfacht kann im Bereich des Rückens zwischen der eigentlichen und der
verbindenden Rückenmuskulatur unterschieden werden. Weiter hat es viele sehnige
Muskeln für die statische und fleischige Muskeln für die dynamische
Beanspruchung. Auch kann man die kurzen Rückenmuskeln von den langen
Rückenmuskeln unterscheiden. Nach der Lokalisation kann auch von der Hals-,
Rücken-, Kruppen- sowie von der langen Sitzbeinmuskulatur gesprochen werden.
Die Beckengürtelmuskulatur ist für die Beugung
im Bereich des Lumbosakralgelenkes von grösster Bedeutung. Dazu zählen
verschiedene Muskeln wie der M. psoas
major und minor wie auch der M.
quadratus lumborum. Diese Muskeln liegen auf der unteren Seite der
Wirbelsäule und reichen vom Femur bis zum letzten Thorakalwirbel. Ebenso
wichtig sind die Bauchmuskeln, wie M.
rectus abdominis und der M. obliquus
abdominis externus, die vom Becken bis zum Sternum und zu den Rippen
reichen. Der gerade Bauchmuskel hält das Becken in seiner Position und stellt
das Becken steiler, wenn das Pferd mit der Hinterhand untertritt.
Die Muskeln an der oberen Seite der Wirbelsäule sind wichtig für die Streckung und für die seitliche Biege- und Drehfunktion. Dazu zählen,
von aussen nach innen: der M.
iliocostalis, der M. longissimus dorsi
und der M. spinalis sowie die Mm. multifidi, die direkt den Wirbeln
anliegen und auch viele fibröse Anteile besitzen. Ein wichtiger Rückenmuskel
ist sicher der lange Rückenmuskel, der
M. longissimus dorsi, der sich entlang der Wirbelsäule ausdehnt. Er sollte
das Dreieck zwischen den Dorn- und Querfortsätzen füllen und sich auch über die
Dornfortsätze vorwölben. Er ist der längste Muskel am Pferdekörper, beginnt am
Kreuzbein und geht bis zum Hinterhauptsbein. Im Bereich der Lendenwirbelsäule
hat er seine stärkste Ausdehnung.
Neben der über der Wirbelsäule liegenden Muskulatur benötigt es zusätzlich
auch Muskeln, die unten an der Wirbelsäule verlaufen, wie die Lendenmuskulatur,
die ebenso trainiert werden müssen. Im Zusammenhang mit der Muskulatur am Rumpf
und Hals werden der obere, mittlere und untere Traggurt unterschieden. Zum
oberen Traggurt zählen u.a. der lange Rückenmuskel und der Riememmuskel, zum
mittleren Traggurt der lange Halsmuskel und die innere Lendenmuskulatur und zum
unteren Traggurt der gerade Bauchmuskel.
Verschiedene EMG Untersuchungen haben gezeigt, dass die Hauptfunktion der
eigentlichen Rückenmuskulatur die Rumpfstabilisierung und weniger die
Bewegungsinitialisierung ist. So wird die maximale ventrale Auslenkung von der
Bauchmuskulatur und die maximale dorsale Auslenkung vom M. longissimus dorsi
begrenzt.
Die Wirbelbögen der
aneinandergereihten Wirbel begrenzen in ihrer Gesamtheit den Wirbelkanal, der
das Rückenmark beherbergit. Zwischen je zwei benachbarten Wirbeln befindet sich
an der Basis der Wirbelbögen ein Zwischenwirbelloch, durch das jeweils die
Rückenmarksnerven austreten. Die Lendenerven zweigen sich auf in ein oberes und
ein unteres Nervengeflecht und sind für die Innervationen von grossen
Hautgebieten (Lenden-, Kreuz- Kruppen- Oberschenkel-, Flanken, Bauchbereich)
und vielen Muskelsystemen (Lenden-, Bauch-, Oberschenkelmuskulatur)
verantwortlich.
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Schematische Zeichnung des Austrittes der
Segmentalnerven |
f. Das Kreuzdarmbeingelenk = Ileosakralgelenk
Die knöcherne
Verbindung zum Becken erfolgt über das Kreuzdarmbeingelenk;
es handelt sich dabei um ein äusserst straffes Gelenk, das nur eine geringe
Beweglichkeit zeigt und in riesige Muskelmassen der Kruppe eingepackt ist.
Es besteht aus der
Gelenksfläche des Sakrums, die dorsolateraokaudal sowie der Gelenksfläche des
Ileums, die kaudomediokranial ausgerichtet ist. Die straffen Gelenksbänder
bestehen aus drei Anteilen: das dorsale, ventrale und intraossäre Ileosakralband.
Das Sakrum ist somit
leicht elastischer Verbindung am Becken aufgehängt, so dass eine gewisse
Stossdämpfung möglich ist.
Die Belastung ist bei
asymmetrischen Gangarten, wo nur eine Hintergliedmasse das Gewicht trägt
wesentlich grösser, als bei symmetrischer Fortbewegung.
Es soll eine gewisse
horizontale Bewegung stattfinden in diesem Gelenk.
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Schematische Zeichnung des Ileosakralgelenkes |
Allgemein Bermerkungen:
Es ist schwierig, lange Texte über die Rückenbeweglichkeit zu schreiben.
Denn der Rücken zeichnet sich mehr durch
seine Stabilität als durch seine Beweglichkeit aus. Die Last der eigenen
Organe sowie die Last des Reiters dürfen nicht zum Durchbiegen der Wirbelsäule
führen, genausowenig soll die Kraft der Nachhand zu einer Schlangenbewegung des
Rückens und somit zu einer schlechten Kraftübertragung auf die Vorhand führen.
Die dünnen Zwischenwirbelscheiben, die kleinen Wirbelgelenke sowie die
verhältnismässig langen Wirbelfortsätze verleihen der Brust- und
Lendenwirbelsäule eine grosse Stabilität und nur eine reduzierte Beweglichkeit.
Trotzdem ist diese geringe Beweglichkeit
von grosser Bedeutung und muss durch regelmässiges Training erhalten oder
gefördert werden.
Die Wirbel können sich zueinander in drei
verschiedene Richtungen bewegen; man spricht von einer Rotationsbewegung,
einer Seitwärtsbewegung und einer Beugung bzw. Streckung der Wirbel. Die Summe
aller einzelnen Wirbelbewegungen ergibt trotz allem eine beachtliche Beugung
und Streckung des Rückens, die je nach Abschnitt unterschiedlich stark ist.
Beugung und Streckung:
Starke Flexionen und
Extensionen sind am Uebergang der Lendenwirbelsäule zum Kreuzbein möglich. Dies
hängt mit der breiten Zwischenwirbelscheibe, den divergierenden Dornfortsätzen
und den schwachen Bändern zusammen. Flexion und Extension erreichen dort Werte
von ca. 20 Grad, können bei bestimmten Pferden aber bis 30 Grad erreichen. Die
Seitwärtsbeweglichkeit wie auch die Rotation ist in diesem Bereich sehr
eingeschränkt und erfolgt fast ausschliesslich über das relativ steife
Kreuzdarmbeingelenk.
Ebenso findet eine
wichtige Streckung und Beugung am Uebergang der Lendenwirbelsäule zur
Brustwirbelsäule statt, was damit zusammenhängt, dass dort die Dornfortsätze
und die Wirbelkörper kleiner und die Zwischenwirbelscheiben grösser sind.
Seitwärtsbiegungen:
Seitwärtsbiegungen am Rücken finden vor allem im Bereich vom 9. bis 14.
Brustwirbel statt, in einem Bereich, wo die Rippen nicht direkt mit dem
Brustbein verbunden sind. In dem meisten Fällen sind Seitwärtsbewegungen mit
einer Rotation gekoppelt. Das heisst, dass eine Rotation nach rechts mit einer
Seitwärtsbiegung nach links gekoppelt ist.
Lendenwirbelsäule:
Die Lendenwirbelsäule zeichnet sich allgemein durch eine enorme
Unbeweglichkeit aus. Dies hängt mit den hohen und breiten Dornfortsätzen, den
grossen Wirbelkörpern, den breiten Querfortsätzen, die häufig auch knöchern
verwachsen sind und den straffen Bändern zusammen. Diese Unbeweglichkeit
betrifft sowohl die Flexion und Extension wie aber auch die Seitwärtsbiegung
und die Rotation. Der Bereich vom ersten bis zum fünften Lendenwirbel ist der
wenig beweglichste Anteil des Pferderückens.
Bewegungen und Muskelaktivität bei den
verschiedenen Gangarten
Die Beweglichkeit ist zudem stark abhängig von der Gangart. Ganz allgemein
nimmt die Bewegungsamplitude mit der Geschwindigkeit der Bewegung zu.
Im Trab üben die Eingeweide eine beachtliche Kraft auf die Wirbelsäule aus,
die durch die Rückenmuskulatur ausgeglichen werden muss. Im Trab sind die
Bewegungsabläufe am kleinsten.
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Flexion und Extension |
Seitwärtsbiegungen |
Lange bevor der Mensch erkannte, dass der Pferderücken als Lastträger
gebraucht werden kann, musste dieser Körperabschnitt wichtige Funktionen
erfüllen. Auch wenn man heute fälschlicherweise annimmt, dass der Rücken zum
Reiten oder Basten gemacht wurde, ist dies die untergeordnetste Funktion. Viele
wichtige Aufgaben muss der Rücken erfüllen, von denen nur einige wenige erwähnt
werden sollen:
Schutz für das Rückenmark:
Die knöcherne Wirbelsäule bildet einen guten Schutz für das Rückenmark, das
eine Vielzahl von lebenswichtigen Nerven beinhaltet. Diese leiten Impulse vom
Hirn zu den veschiedenen Organen und dann von den Organen wieder zurück zum
Hirn. Ein massives Trauma kann zu einer Zerstörung dieses knöchernen Schutzes
und somit zu einer Schädigung der Nerven führen. Die Folgen sind für das Pferd
ungleich schlimmer, weil eine teilweise oder vollständige Lähmung der Hinter-
und/oder Vordergliedmassen fast ausnahmslos zur Euthanasie des Pferdes führt.
Zwischen je zwei benachbarten Wirbeln befindet sich ein Zwischenwirbelloch,
durch das jeweils die Rückenmarksnerven austreten.
Schutz für das Herz und die Lunge: An der Wirbelsäule sind die Rippen befestigt, die
zusammen mit dem Brustbein eine Schutzhülle für das Herz und die Lunge
darstellen.
Befestigung von inneren Organen: Viele innere Organe, wie alle Därme, die Leber,
die Niere und andere sind an der Wirbelsäule befestigt und aufgehängt. Wer
einmal die riesigen Därme des Pferdes gesehen hat, kann sich vorstellen,
welches Gewicht von der Wirbelsäule ständig getragen werden muss.
Befestigung der Gliedmassen: Auch die Gliedmassen sind am Rücken befestigt.
Die Hintergliedmassen sind über das Kreuzdarmbeingelenk mit dem Rücken
verbunden. Dieses Gelenk ist sehr straff und verbindet das Kreuzbein mit dem
Darmbein. Ueber diese Verbindung wird die Kraft der Nachhand über den Rücken
auf die Vorhand übertragen. Für diese Kraftübertragung wird vom Rücken eine
hohe Stabiliät und eine gewisse Rigidität verlangt.
Bewegung ermöglichen: Der Rücken ist zweifelsohne die zentrale Einheit
der Bewegung.
Wenn man von einer Verspannung spricht, denkt man an Krankheiten, an
Schmerzen, an einen Hexenschuss oder auch an psychische Probleme. Doch unter
der oberen Verspannung des Rückens versteht man eine anatomische Besonderheit
des Pferdes, die nicht eine Krankheit, sondern vielmehr eine wunderbare
Konstruktion für das Pferd darstellt.
Die obere Verspannung setzt sich aus verschiedenen anatomischen Einheiten
zusammen, wovon die Wirbelsäule die zentrale Einheit bildet. Weiter zählen noch
der Kopf, der Hals, die Hintergliedmassen sowie die Bänder und die statische
Muskulatur dazu. Diese obere Verspannung
kann aktiviert werden, indem der Kopf und Hals nach vorne und unten sowie die
Hintergliedmassen möglichst weit nach vorne unter das Gewicht des Körpers
gebracht werden.
Anstelle von oberer
Verspannung spricht man auch vom oberen Spanngurt und versteht darunter das
Nackenband, das Lig. supraspinale und den M. longissimus dorsi, der dann
Kontakt mit der Hinterhandmuskulatur aufnimmt.
Diese Position nimmt das Pferd bei seiner häufigsten Tätigkeit in der Natur
ein, wenn es auf der Futtersuche mit den Nüstern am Boden entlang streicht.
Dabei werden die Muskeln der Hinterhand auch wechselseitig be- und entlastet,
so dass keine übermässige Ermüdung stattfinden kann. Durch die Anspannung des
Nackenstranges werden die Dornfortsätze des Widerristes leicht nach vorne
gezogen und somit auch aufgerichtet. Damit spannt sich auch das Rückenband, das
bis zum Kreuzbein zieht.
Die obere Verspannung des Pferdes:
links in Funktion, rechts ausser Funktion
Neben der oberen Verspannung gibt es auch die untere Verspannung. Diese
setzt sich aus der unteren Halsmuskulatur und vor allem aus der Bauchmuskulatur
zusammen.
Diese obere Verspannung ermöglicht dem Pferderücken das grosse Eigengewicht
der Organe zu tragen, ohne dabei die energie- und sauerstoffverzehrende
Muskulatur beanspruchen zu müssen. Daneben kann auch mithilfe der oberen Verspannung
das Reitergewicht getragen werden. Das Gewicht des Kopfes und des Halses kann
dabei ähnlich wie eine Waage das Gewicht des Reiters ausbalanzieren. Der Kopf
muss dazu nicht aktiv gebogen, sondern vom Pferd “einfach fallen gelassen”
werden. Die eigentliche Rückenmuskulatur ist weniger geeignet, das
Reitergewicht zu tragen, sondern wird für die Fortbewegung und zu einem
geringeren Teil auch für die Atmung benötigt. Unter der Losgelassenheit versteht man dann jenen Zustand, wo sich der Rücken
frei bewegen und schwingen kann und nicht als Lastträger benötigt wird. Im
anderen Fall wird die Rückenmuskulatur als Lastträger missbraucht, so dass
viele Rückenprobleme entstehen können. Krankhafte Verspannungen, unreine Gänge,
Schweifschiefhaltung und andere Veränderungen können erste Symptome darstellen.
Auch werden die Vorder- und Hintergliedmassen in der freien Bewegung blockiert,
weil die Gliedmassenmuskulatur ebenso mit der Rückenmuskulatur verbunden ist.
Entscheidend für eine aktive Rückentätigkeit ist das Heranschliessen der Hintergliedmassen, was leider häufig vergessen
wird.
Verschiedene Ursachen müssen für Rückenerkrankungen des Pferdes
verantwortlich gemacht werden:
a. Konstitution
(Körperbau) des Pferdes:
Die Konstitution des Pferdes spielt eine wichtige Rolle bei
Rückenerkrankungen. So sind Pferde mit einem kurzen Rücken wahrscheinlich
häufiger betroffen als Pferde mit einem langen Rücken. Auch haben grossrahmige
Pferde mit einer schwachen Kruppe eher mehr Probleme als andere Pferde. Ganz
allgemein haben kleinere und kompaktere Pferde weniger häufig Rückenprobleme.
b. Verletzungen, Unfälle:
Infolge von Stürzen und anderen Unfällen kann es zu Verletzungen des Rückens
kommen. Zerrungen von Bändern, Muskelrisse, Frakturen oder selbst
Verschiebungen von Wirbeln können durch starke traumatische Einwirkungen am
Rücken entstehen. Häufig werden die Folgen dieser Veränderungen erst nach
Wochen oder Monaten erkennbar.
c. Reiter:
Der Hauptverursacher von Rückenproblemen ist wahrscheinlich der Reiter selber. Fehlendes Wissen um die
normale Anatomie und Physiologie des Rückens, fehlende Reitkenntnisse, mangelnde
Ausbildung und übertriebener Ehrgeiz können zu Rückenproblemen führen. Am
Anfang vieler Rückenerkrankungen stehen wahrscheinlich Krampfzustände der kurzen und langen Rückenmuskulatur. Die
verkrampfte Rückenmuskulatur wird sehr schlecht durchblutet und kann damit
wenig oder überhaupt nicht aufgebaut werden. Neben der langen Rückenmuskulatur
sind besonders auch die kleinen Muskeln zwischen den einzelnen Wirbeln
betroffen. Damit fehlt die stabilisierende Funktion für die anderen Elemente
des Rückens, wodurch die einzelnen Wirbelgelenke und wahrscheinlich auch die
Dornfortsätze vermehrt belastet werden.
Nur ein korrekt trainiertes und ausgebildetes Pferd kann mit Hilfe der
oberen Verspannung das Reitergewicht tragen. Unter der oberen Verspannung
versteht man die Verbindung des Kopfes mit dem Hals, dem Rücken, dem Kreuzbein und
der Nachhand über das Nackenband und die Nackenplatte. Sobald diese obere
Verspannung vom Reiter nicht genützt werden kann, muss das Pferd das
Reitergewicht unter Zuhilfenahme der dafür ungeeigneten Rückenmuskulatur
tragen. Damit wird das Pferd steif, die Vorder- und Hintergliedmassen sind
blockiert und auch die Atemmuskulatur wird verspannt. Die ständige
unphysiologische Belastung der Rückenmuskulatur führt zu weiteren
Muskelschädigungen.
Diese Krampfzustände werden durch mehrere Reit- und Managementfehler
ausgelöst:
-Fehlende Lösungsphase zu Beginn des Reitens, was sich vor allem bei
schwierigen Pferden fatal auswirken kann
-Ungenügende Ausbildung des Pferdes und/oder des Reiters
-Unsachgemässes Reiten: schlechter Sitz, falsch angewendete Zwangsmassnahmen
wie Schlaufzügel
-Mangelnde Bemuskelung vor allem am Rücken
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Das Pferd benötigt eine Aktivierung des oberen
Spanngurtes, damit das Reitergewicht getragen werden kann. Diese schematische Zeichnung charakterisiert
eine schlechte und rückenbelastende Reitweise. |
Johann Hinemann, deutscher Rittmeister und mehrfach erfolgreicher
Championatstrainer, hat anlässlich einer Rückentagung die Ursache für
Rückenprobleme einfach zusammengefasst:
1.
Zu starke
Anlehnung: das Pferd kann dadurch die Hintergliedmasse nicht aktivieren
2.
Zu geringe
Anlehnung: die Hintergliedmasse wird nicht aktiviert.
Pferde müssen geritten werden, was man nicht verwechseln sollte mit dem
Tragen von Lasten, das den Eseln zugemutet wird.
d. Schlechter Sattel:
Der Sattel muss sowohl
dem Reiter als auch dem Pferd optimal angepasst werden. Ein falsch aufliegender
Sattel kann zu vielen Erkrankungen wie Drücke, Muskelverkrampfungen und wahrscheinlich
auch zu Veränderungen der Bänder und Wirbelgelenke führen. Aufgrund wissenschaftlicher
Untersuchungen mit einer Messschabracke konnte gezeigt werden, dass die Auflagefläche
von vielen Sätteln schlecht ist (PD Dr. Brigitte von Rechenberg und
Mitarbeiter), wodurch das Reitergewicht ungleichmässig auf den Rücken
übertragen wird. Ein häufiges Problem stellen dabei Sättel dar, die nur kranial
und kaudal auf dem Rücken aufliegen und in der Mitte hohl sind, wodurch es zu
einer sogenannten Brückenbildung kommt. Aber auch schräg aufliegende und
schlecht gepolsterte Sättel stellen ein grosses Problem dar.
Untersuchungen konnten zeigen, dass die maximale Belastung 2 N/cm2 nicht übersteigen sollte.
Bereits bei 3.5 N/cm2 kommt es zu Druckschäden und damit auch zu Schmerzen.
e. Sportliche Höchstleistungen:
Die von den Pferden verlangten sportlichen Höchstleistungen können auch zu
Schäden am Bewegungsapparat führen. Dies gilt nicht zuletzt für den
Trabrennsport, wo eine unnatürlich hohe Geschwindigkeit in einer Gangart
verlangt wird, die nicht dem natürlichen Verhalten des Pferdes entspricht. Bei
diesen hohen Geschwindigkeiten würde das Pferd seiner Natur entsprechend lieber
galoppieren.
7. Symptome bei Rückenerkrankungen
Die Symptome bei Rückenerkrankungen sind sehr vielfältig und häufig auch verwirrend. Klare und eindeutige
Symptome wie bei Lahmheiten der Gliedmassen (Kopfnicken), bei Lungerkrankungen
(Husten) oder Darmveränderungen (Kolik) fehlen, was die Diagnostik sehr
erschwert. Je nach Verwendungszweck des Pferdes werden Rückenerkrankungen
früher oder später sichtbar, wobei der feinfühlige Reiter geringe Verhaltensveränderungen,
die im Zusammenhang mit Rückenerkrankungen stehen, früher feststellen wird.
Verhalten:
Je nach Temperament und
Sensibilität des Pferdes stehen unterschiedliche Symptome im Vordergrund.
Pferde mit Rückenproblemen wälzen sich wenig oder überhaupt nicht mehr und
bewegen sich lustlos auf der Weide oder Paddock. Bocken, Steigen und andere
Kapriolen werden immer seltener. Auch Charakterveränderungen bei den Pferden
können die Folge von Rückenerkrankungen sein.
Satteln:
Pferde mit Rückenproblemen
können widerspenstig reagieren, wenn sie im Lenden- oder Kruppenbereich
gestriegelt werden oder wenn man die Decke oder den Sattel auflegt. Gewisse
Pferde können schon missmutig werden, sobald sie den Reiter mit dem Sattel
sehen, so dass bereits das Satteln und Gurten grosse Probleme bereiten kann.
Beim Aufsteigen oder beim Absitzen im Sattel drücken die Pferde den Rücken weg
oder versuchen, dem Schmerz davonzurennen.
Bewegung:
Die Pferde zeigen Probleme in der Anlehnung und gehen oft in allen Gangarten
über dem Zügel. Auch Schwierigkeiten mit dem Untertreten der Nachhand, wie auch
Schweifschlagen und Kopfschütteln können ihre Ursache in Rückenerkrankungen
haben. Die Pferde zeigen einen Verlust der Biegsamkeit des Rückens, was oft
einseitig verstärkt ist. Probleme bei engen Volten und beim Rückwärtsgehen
werden grösser.
Bei manchen Pferden
steht eine reduzierte Leistungsbereitschaft im Mittelpunkt, ohne dass andere
Symptome offensichtlich erkennbar wären. In den Dressurlektionen schleichen
sich immer mehr Fehler ein und beim Springen werden Stangenfehler häufiger.
Ueber dem Sprung wird der Rücken festgehalten und das Schwingen (das
Baskulieren) geht verloren. Verweigerungen, Probleme in den Kombinationen und
besonders Nachhandfehler nehmen zu.
Lahmheiten:
Ein steifer Gang in der Nachhand oder auch Lahmheiten können infolge von
Rückenveränderungen auftreten. Wenngleich deutliche einseitige Lahmheiten
selten sind, kann eine Ungleichheit bestehen, am häufigsten im Schritt, was sich vor allem unter dem
Reiter und auf der kleinen Volte und im tiefen Boden am deutlichsten zeigt. Das
Pferd bewegt sich mit einem steifen, leicht konkav gehaltenen Rücken und die
Nachhand zeigt wenig Schubkraft.
Es muss jedoch erneut betont werden, dass diese Symptome unspezifisch sind
und auch Ausdruck anderer Krankheiten sein können. Aus diesem Grund muss jedes
Pferd mit einem vermuteten Rückenproblem gründlichst untersucht werden, um
Gliedmassenerkrankungen oder Krankheiten anderer Organsysteme auszuschliessen.
Aufgrund der
anatomischen Besonderheiten sind sowohl die Untersuchung wie auch die Diagnosestellungen
am Rücken sehr schwierig; dies hängt mit folgenden Gründen zusammen:
Die Wirbelsäule ist bedeckt von grossen Muskelmassen, die die direkte
Betrachtung und Palpation von Rückenstrukturen verunmöglichen.
Die Beweglichkeit ist schon bei gesunden Pferde sehr klein, so dass eine
pathologische Reduktion der Beweglichkeit sehr schwierig zu erkennen ist.
Radiologische und auch ultrasonographische Untersuchungen vom Rücken sind
sehr aufwendig und weniger sensibel als in anderen Körperregionen.
Hinweise vom Besitzer:
Angaben des Besitzers über die Abnahme der Leistungsfähigkeit des Pferdes,
über Probleme beim Satteln oder andere neu aufgetretene Veränderungen sind sehr
wichtig. Weitere Symptome (siehe
weiter vorne) können erste Hinweise für eine Rückenveränderung sein.
Klinische Untersuchung des Pferdes:
Das Pferd wird von allen Seiten genau beurteilt, um auch geringe
Asymmetrien zu erkennen. Besonders der Bemuskelung im Bereich des Rückens wird
grosse Beachtung geschenkt, wie auch allen erkennbaren Knochenvorsprüngen am
Rücken. Das Nackenband, die Dornfortsätze sowie die Muskulatur werden
sorgfältig palpiert, um schmerzhafte Regionen zu erfassen. Ebenso können
Verspannungen und auch Narben in der Rückenmuskulatur ertastet werden. Es ist
von grosser Wichtigkeit, dass die Palpation ruhig und kontrolliert durchgeführt
wird. Weiter wird die Beweglichkeit des Rückens beurteilt, wobei getrennt die
Seitwärtsbewegungen sowie die Flexion- und Extensionsmöglichkeiten des Rückens
beurteilt werden.
Beurteilung des Sattels:
Bei allen Patienten,
bei welchen ein Rückenproblem vermutet wird, muss der Sattel genauestens
beurteilt werden. Die Position des Sattels auf dem Rücken nimmt dabei eine
zentrale Rolle ein. Verschiedene Fragen müssen dabei beantwortet werden: Wo
kommt der Schwerpunkt des Reiters zu liegen, liegt der Sattel gleichmässig auf
dem Rücken auf, besteht genügend Widerristfreiheit oder wird das Schulterblatt
durch den Sattel behindert? Dies sind alles entscheidende Fragen, die
beantwortet werden müssen. Weiter sollten die Symmetrie des Sattels, der
Sattelbaum und die Polsterung genauestens beurteilt werden.
Wichtig: Bei jedem Pferd, bei dem ein Rückenproblem
vermutet wird, muss der Sattel in die Untersuchung miteinbezogen werden.
Beurteilung unter Belastung:
Pferde mit Rückenproblemen können eine leichtgradige Lahmheit oder einen
steifen Gang der Hintergliedmassen aufweisen. Sie neigen zu Zehenschleifen
infolge einer reduzierten Hinterhandaktion. Beim Rückwärtsgehen sowie bei engen
Volten wehrt sich das Pferd und versucht sich dieser Belastung zu entziehen.
Auf der Longe fällt eine übertriebene Kontraktion der langen Rückenmuskulatur
auf. Ebenso hat das Pferd Probleme in einer guten Biegung zu traben. Die
Hinterhand zeigt wenig Schwung und ständiges Schweifschlagen und auch
Kopfschütteln können vorkommen.
Auch Taktunreinheiten wie Passgang und Kreuzgalopp sind typische Symptome
von Rückenproblemen.
Laboruntersuchungen: Die muskelspezifischen Enzyme (GOT, CK und LDH)
können bei akuten Muskelerkrankungen erhöht sein. Starke Erhöhungen dieser
Enzyme treten besonders beim Kreuzschlag und beim Tying up auf.
Spezialuntersuchungen: Thermographische, ultrasonographische,
radiologische und szintigraphische Untersuchungen können weitere Auskunft über
die Rückenveränderungen geben. Diese Spezialuntersuchungen dürfen aber nur
zusammen mit einer gründlichen klinischen Untersuchung interpretiert werden.
Denn nicht jede radiolgisch, thermographisch oder ultrasonographisch erkennbare
Veränderung ist auch mit Schmerzzuständen verbunden.
Thermographie:
Mittels der Thermographie können feinste Temperaturunterschiede erfasst
werden. Diese Temperaturschwankungen können Ausdruck von Entzündungen
tieferliegender Strukturen sein. Während oberflächliche Entzündungen damit
erfasst werden können, ist dies bei tiefliegenden Strukturen, wie den
Wirbelgelenken nicht möglich. Auch muss man bedenken, dass nicht jede Erkrankung
mit einer Temperaturerhöhung einhergeht.
Radiologie:
Radiologisch können die knöchernen Strukturen untersucht und dargestellt
werden. Veränderungen an den Dornfortsätzen, an den Wirbelkörpern und an den
Wirbelgelenken können heute gut sichtbar gemacht werden. Die besten Aufnahmen
erhält man in Allgemeinanästhsie. Dabei wird das Pferd in der Weise gelagert,
dass sich die Seitenfortsätze sowie die Rippenbögen genau überlagern. Es werden
Aufnahmen von den Dornen sowie getrennt von den Wirbelgelenken angefertigt.
Dabei sind in der Regel je drei verschiedene Aufnahmen erforderlich.
Wirbelgelenke:
Bei den Gelenken wird der Processus articularis caudalis, der Gelenksspalt
und der P. articularis cranialis beurteilt. Der Gelenksspalt befindet sich in
unmittelbarer Nähe des Foramen intervertebrale, so dass auch knöcherne
Zubildungen dort die Nerven tangieren können. Im seitlichen Strahlengang werden
das rechte und linke Gelenk in der Mitte der Aufnahme ineinander, am Rand der
Aufnahme hingegen etwas versetzt projiziert. Die Gelenksspalten sind im Bereich
der Thorakalwirbel besser zu erkennen, weil diese weniger schräg gestellt sind.
Die Rippen können die Interpreration etwas erschweren.
Lumbosakralgelenk
Ileosakralgelenk:
Ultraschalluntersuchung:
Die ultrasonographische Untersuchung erlaubt eine Aussage über die
Weichteilstrukturen wie Muskulatur und Bänder. Sowohl das Nackenband, wie auch
die Zwischendornenbänder können ultrasonographisch dargestellt werden. Weiter
können auch die Wirbelgelenke dargestellt werden.
Szintigraphie:
Bei der szintigraphischen Untersuchung wird dem Pferd eine radioaktive
Substanz, (99mTc-Sn) gespritzt, welche sich an dem Knochen anreichert, an dem
gerade ein Umbau stattfindet.Die Verteilung wird dann mit der Gammakamera
erfasst. Damit können Entzündungen sehr früh und auch mit grosser Sicherheit
erfasst werden.
Normalbefunde: Die höchste Anreicherung zeigen die Rippengelenke. Die
Dornfortsätze sowie die Gelenke reichern gleichmässig an. Auch im Bereich der
Ileosakral- sowie Lumbosakralgelenke können keine vermehrte Speicherung
beobachtet werden.
Pathologische Veränderungen: Es können scharf umschriebene erhöhte
Speicherungen beobachtet werden. Diese betreffen die Dornfortsätze, die
Wirbelgelenke sowie die Lumbo- und Ileoskralgelenke.
Nicht jedes vom Reiter
vermutete Rückenproblem ist auch wirklich ein primäres Rückenproblem. Vielfach
entstehen die Rückenschmerzen erst sekundär zu einem anderen Problem.
Zahnprobleme werden gerne als Rückenproblem fehlinterpretiert.
Zahnspitzen und Zahnhaken wie auch ein Scheren- oder ein Wellengebiss können zu
ähnlichen Symptomen führen wie Rückenschmerzen, so dass die Zähne jeweils immer
genau kontrolliert werden müssen.
Ein schlechter oder nicht passender Sattel
führt natürlich genauso wie ein schlechter Rucksack zu starken Rückenschmerzen,
ohne dass der Rücken deshalb primär verändert sein muss. Ein schlecht passender
Sattel kann zu den verschiedenen Drücken, wie Trachten-, Klemm- und Sturzfederdruck
führen. Nicht selten verursacht ein schiefer oder asymmetrisch liegender Sattel
eine einseitige Belastung des Rückens und der Muskulatur.
Auch reiterliche Mängel oder
Fehler in der Ausbildung des Pferdes
können ein Rückenproblem vortäuschen.
Auch Lahmheiten der
Vordergliedmassen und besonders der Hintergliedmassen müssen differentialdiagnostisch
in Betracht gezogen werden. Der häufig vorkommende Spat kann ebenso wie die
Hufrollenerkrankung der Vorderbeine zu Verspannungen im Rücken führen, wodurch
eine Fehldiagnose möglich wäre.
10.
Ausgewählte Rückenerkrankungen beim Pferd
Uebersicht über verschiedene
Rückenerkrankungen
a. Missbildungen
Missbildungen im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule sind beim Pferd
selten. Wirbelverschmelzungen (Synostosen), Verkrümmungen der Wirbelsäule
(Skoliose, Lordose, Kyphose) oder andere Missbildungen kommen beim Pferd nur in
Ausnahmefällen vor.
b. Seitliche Verlagerung der
Lendenwirbel
Bei manchen Pferden können leichtgradige seitliche Achsenabweichungen der
Brust- und Lendenwirbel festgestellt werden. Dabei fällt auf, dass die
entsprechenden Dornfortsätze der Lendenwirbel nicht mehr in einer Linie
angeordnet, sondern nach rechts oder links verlagert sind. Die Ursache dieser
Verlagerung können Unfälle oder auch übermässige einseitige Kontraktionen der
Muskeln sein. Im Zusammenhang mit diesen Verlagerungen der Wirbel müssen auch
die Blockaden der Wirbel erwähnt werden. Durch die Verschiebung kann es zu
einer Verkeilung des Wirbels kommen, so dass die notwendigen Wirbelbewegungen
nicht mehr möglich sind.
Dies führt zu einer asymmetrischen Belastung der Wirbelsäule mit allen
beteiligten Strukturen wie Gelenke, Bänder und Muskeln.
Manche Osteopathen oder
Chiropraktiker können diese Abweichungen erkennen und durch bestimmte
Manipulationen wieder korrigieren, wobei dies wegen des grossen Körpergewichtes
und den grossen Muskelmassen nur sehr schwer möglich ist. Nur mit grossem
Kraftaufwand und unter Zuhilfenahme von besonderen Techniken können blockierte
Wirbel wieder mobilisiert werden.
c. Osteochondrose
Unter einer Osteochondrose versteht man eine Entwicklungsstörung der
Knochen-Knorpeleinheit, die sich hauptsächlich in den Gelenken manifestieren
können. Unter anderem können auch die Halswirbelgelenke betroffen sein, was meistens
zu schwerwiegenden Veränderungen führt. Gelenksinstabilitäten wie auch
Beeinträchtigung des Wirbelkanals können die Folge sein. Dies wiederum führt zu
unterschiedlich starkem ataktischen Gang. Die Osteochondrose manifestiert sich
meist im jugendlichen Alter von ein bis drei Jahren.
d. Bänderläsionen
Das obere Nackenband verbindet den Kopf mit der Hals-, Brust-, Lenden und
Kreuzbeinwirbelsäule. Dieses lange fibröse Band besitzt viele elastische
Fasern, so dass auch starke Dehnungen ohne Schädigungen toleriert werden
können. Trotzdem kann es infolge einer Ueberbeanspruchung zu chronischen
Entzündungen kommen. Diese treten meistens an Insertionen auf. So sind
Entzündungen am Ursprung am Hinterhauptsbein sowie auch an den einzelnen
Dornfortsätzen keine Seltenheit. Schwellungen über dem Band wie auch Schmerzen
bei der Palpation können daraus resultieren. Die Prognose bei diesen
Veränderungen ist eher ungünstig.
Neben den langen Bändern können auch die kurzen Bänder Veränderungen
aufweisen. Besonders häufig sind die Interspinalbänder im Bereich der
Sattellage betroffen. Diese werden bei jeder Aufwärts- und Abwärtsbiegung des
Pferdes beansprucht und können bei übermässiger Beanspruchung gezerrt werden.
e. Muskelerkrankungen
Verspannungen:
Verspannungen der Rückenmuskulatur zählen zu den häufigsten
Rückenerkrankungen der Pferde. Diese Verspannungen können das Resultat eines
falschen Sattels, einer falschen Reitweise oder infolge von anderen
Rückenerkrankungen entstanden sein. So sind Rückenmuskelverspannungen infolge
von Knieproblemen keine Seltenheit.
Verletzungen:
Der lange Rückenmuskel (M. longissimus dorsi) kann infolge einer
unkontrollierten Bewegung gedehnt, gezerrt oder auch gerissen werden. Infolge
eines Ausrutschers, eines Sturzes oder infolge schlecht gesprungener
Hindernisse können einzelne oder mehrere Muskelfasern beschädigt werden.
Oertliche Schmerzhaftigkeit verbunden mit einer Schwellung der betroffenen
Muskulatur sind typische Symptome. Zudem wird der Rücken steif gehalten und die
Pferde zeigen eine deutliche Reduktion der Hinterhandaktion. Auch ist die
Flexibilität der Brustlendenwirbelsäule deutlich reduziert.
Kreuzschlag:
Nervöse Pferde, vor allem Stuten, leiden häufig unter kreuzschlagähnlichen
Symptomen (Tying up) im Bereich der Rückenmuskeln. Falsches Training,
Erkrankungen der Nachhand, ein unpassender Sattel, falsche Fütterung und auch
nervliche Unausgeglichenheit können zu einer Uebersäuerung der Muskulatur
führen. Sei es, dass zuviel Milchsäure (Laktat) produziert oder zuwenig abtransportiert
wird. Die Muskelzellen werden geschädigt und können sogar vollständig degenerieren.
Die Diagnose kann relativ einfach durch eine Blutuntersuchung gestellt werden,
weil die muskelspezifischen Enzyme deutlich höher als normal sind.
f. Kissing spines, Ueberreitende
Dornfortsätze
Unter den Kissing spines versteht man Veränderungen an den Dornfortsätzen
der Brust- bzw. Lendenwirbelsäule. Es handelt sich dabei um knöcherne
Zubildungen (Exostosen) wie auch Auflösungen (Lysen, Zysten) besonders an den
vorderen und hinteren Enden der Dornfortsätze. In schweren Fällen können sich
neue Gelenke ausbilden, sogenannte Pseudogelenke.
Diese Veränderungen findet man besonders häufig in der Sattellage, sie
können aber auch an den letzten Widerristwirbel wie auch im Lendenbereich
vorkommen.
Vollblüter sowie auch Pferde mit einem kurzen Rücken sind besonders häufig
davon betroffen. Auch sind diese Veränderungen bei den Dressurpferden nicht
selten zu finden.
Die Folgen davon sind mehr oder weniger starke Rückenschmerzen, die zu
einer massiven Leistungsreduktion führen können. Vor allem die
Rückenbeweglichkeit ist stark reduziert, was sich besonders bei Sprüngen
negativ auswirken kann. Interessanterweise können starke radiologische
Veränderungen auch ohne klinische Symptome vorkommen.
An den Dornfortsätzen können Formveränderungen, Verkleinerung der Abstände,
Verdichtung der Knochenstrukturen, Bildung von Gelenksfacetten, Nearthrosen,
Ueberlappungen und Trümmerzysten beobachtet werden. Die häufigsten Veränderungen
werden zwischen T 13 und T 16
gesehen.
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Starke Veränderungen an den
Dornfortsätzen in der Sattellage |
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g. Spondylose
Unterhalb des Wirbelkörpers können sich knöcherne Zubildungen entwickeln;
diese werden als Spondylosen bezeichnet. Im schlimmsten Fall können diese
knöchernen Spangen zwei benachbarte Wirbel verbinden.
h. Wirbelgelenkveränderungen
Aehnlich wie bei den Gelenken der Gliedmassen findet man auch an den
Wirbelgelenken arthrotische Veränderungen. Im frühen Stadium sind dies
Entzündungen und im fortgeschrittenen Stadium dann Veränderungen am
Gelenkknorpel, an der Gelenkkapsel und an den Bändern. Diese Veränderungen
können szintigraphisch und radiologisch erkannt werden, wobei es in beiden Fällen
eine Allgemeinanästhesie benötigt, um brauchbare Bilder herzustellen.
Die häufigste Lokalisation dieser Wirbelgelenksarthrose sind die letzten
Brust- und ersten Lendenwirbel.
Als Zeichen von Veränderungen werden die subchondrale Sklerose, ungleich
breite und unregelmässig verlaufende Gelenksspalten, Randzacken, Vergrösserung
der Gelenkflächen sowie Trümmerzysten beobachtet. Die häufigsten Veränderungen
werden zwischen T 16 und T 18 gesehen.
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Röntgenbilder der Wirbelgelenk der Brustwirbelsäule |
i. Kreuzdarmbeingelenksveränderungen
Wie von der Anatomie bekannt, ist das Kreuzdarmbeingelenk beim Pferd von
grosser Bedeutung. Sowohl das Gelenk wie auch die Bänder können durch einen
Sturz oder durch Ausrutschen beschädigt werden. Infolge der Bänderläsionen kann
es selbst zu Kreuzdarmbeinluxationen kommen.
Die Pferde zeigen eine örtliche Schmerzhaftigkeit sowie eine intermittierende Lahmheit an den
Hintergliedmassen, unilateral oder bilateral. Verminderter Schwung, steifer
Rücken, Zehenschleifen, Atrophie der Beckenmuskulatur und eingeschränkte Leistungsfähigkeit sind charakteristische Symptome.
Typisch für diese Veränderungen ist die Tatsache, dass die Probleme sehr viel
deutlicher werden, wenn die Pferde geritten werden. Auch sind bestimmte
Dressurlektionen wie Galoppwechsel, Trabtraversale sehr schwierig auszuführen.
Die Diagnose von Kreuzdarmbeingelenksveränderungen ist äusserst schwierig,
nicht zuletzt deshalb, weil Röntgenaufnahmen dieser Region nur in
Allgemeinanästhesie angefertigt werden können. Szintigraphisch können hingegen
Hinweise für arthrotische Veränderungen erhalten werden. Das normale
szintigraphische Bild besteht in einer vermehrten Speichung im Bereich der T. sacralia
sowie in scharf umschriebenen schwahen Speicherungen im Bereich des IS
Gelenkes. Bei pathologischen Veränderungen sind grosse Flächen von
Speicherungen direkt neben den T. sacralia zu erkennen.
Blockierte Ileosakralgelenke spielen laut Aussage von Osteopathen beim
Pferd eine wichtige Rolle. Was das morphologische Substrat dieser Veränderung
darstellt, lässt sich schwer definieren.
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Veränderungen des
Ileosakralgelenkes sind wahrscheinlich wichtig |
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j. Lumbosakralgelenksveränderungen
Das Lumbosakralgelenk ist häufig verändert beim Pferd, was szintigraphisch
wie auch radiologisch gezeigt werden kann. Das Lumbosakralgelenk stellt im
Vergleich zu den anderen Rückenabschnitten eine Region dar, die
verhältnismässig gut beweglich ist. Damit erfährt dieses Gelenk auch eine
starke Beanspruchung, vor allem bei Springpferden. Es scheint, dass die anspruchsvollen
Parcours zu einer zusätzlichen Belastung dieses Gelenkes führen. Variierende
Distanzen mit daraus folgenden Veränderungen des Galoppsprunges,
Schlangenlinien und enge Wendungen sollen zu einer Schubkompression und daher
zu einer Entzündung im Bereich des Lumbosakralgelenkes führen. Diese Probleme
werden heute häufiger diagnostiziert als früher und scheinen bei den
Springpferden von grosser Bedeutung zu sein. Auch bei den Trabrennpferden hat
die Veränderung der Bauweise des Sulkys dazu geführt, dass die Schubkraft auf
das Lumbosakralgelenk wesentlich grösser geworden ist. Zusammen mit dem starken
Aufchecken können damit Probleme gerade am Lumbosakralgelenk sehr wichtig
werden.
k. Frakturen
Frakturen der Wirbelkörper der Brust- oder Lendenwirbelsäule führen fast
ausnahmslos zu Läsionen des Wirbelkanals und des Rückenmarks und damit auch zu
Lähmungen der Nach- und eventuell auch der Vorhand. Sie können das Ergebnis
eines Sturzes mit hoher Geschwindigkeit sein oder infolge einer Kollision
entstehen. Die Prognose ist natürlich infaust und eine Therapie unmöglich.
Unvollständige Frakturen, wie Frakturen der Lendenwirbelquerfortsätze oder
der Gelenkfortsätze werden manchmal beobachtet. Die Diagnose ist äussert
schwierig zu stellen und meistens nur mithilfe von besonderen technischen
Hilfsmitteln möglich.
Frakturen der Dornfortsätzen des Widerristes kommen bei schweren Stürzen
vor. Besonders beim Steigen und Sich-Rückwärts-Ueberschlagen kann der Widerrist
frakturiert werden. Der Widerrist ist stark geschwollen und schmerzhaft und die
Pferde bewegen sich sehr schlecht und ungern. Je nach Ausmass der Fraktur
müssen die Pferde operiert werden. Auf alle Fälle benötigen sie anschliessend
einen neuen Sattel.
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Frakturen der Dornfortsätze
schränken die Leistungsfähigkeit des Pferdes ein |
Wenn man die verschiedenen Lehrbücher liest, oder wenn man in den aktuellen
Pferdezeitschriften blättert, kann man feststellen, dass heute eine Unzahl von
Behandlungsmöglichkeiten bei Rückenerkrankungen angeboten wird. Angefangen bei
den vielen Zusatzfutter bis zu den kompliziertesten Operationen ist schon alles
versucht worden. Nur die wenigsten Therapiemethoden sind jedoch
wissenschaftlich untersucht worden, so dass auch keine definitive Aussage über
die Wirksamkeit der einzelnen Therapiemöglichkeiten gemacht werden kann.
Im Folgenden sollen verschiedene Behandlungsmethoden bei Rückenerkrankungen
vorgestellt werden. Je nach Symptome, Ursache und Art der Veränderung wird der
Tierarzt darüber entscheiden, was für den einzelnen Patienten am besten ist. Es
ist aber wichtig zu beachten, dass die meisten Therapieformen, ob dies nun
Medikamente, Physiotherapie, Akupunktur oder andere Massnahmen sind,
mehrheitlich nur symptomatisch und somit nur für eine bestimmte Zeit wirksam
sind. Aus diesem Grund steht an erster Stelle jeder Behandlung die Beseitigung
der Ursache, also die sogenannte kausale Therapie.
a. Ruhe:
Bei akuten Rückenerkrankungen ist die Ruhe von grösster Bedeutung. Das
Pferd darf während ca. 2 Monaten nicht mehr belastet werden, damit die
verletzten und traumatisierten Regionen abheilen können. Am Anfang sollte das
Pferd in der Boxe gehalten werden und anschliessend empfiehlt sich ruhiger und
regelmässiger Weidegang.
b. Wiederaufbau:
Nach der Ruhephase ist ein gezielter Wiederaufbau des Pferdes erforderlich.
Das Training muss wieder langsam gesteigert und auf die verschiedenen Bereiche
ausgedehnt werden. Dabei sollen die kurzen und langen Muskeln des Rückens
wieder trainiert werden.
c. Sattel:
Der Sattel nimmt bei allen Pferden mit Rückenproblemen eine zentrale Rolle
ein. Ein symmetrischer, gut gepolsteter und auf das betreffende Pferd passender
Sattel ist von allergrösster Wichtigkeit.
d. Wärme:
Wärme ist vor allem bei chronischen Rückenerkrankungen sehr wichtig. Sowohl
mittels Infrarotlampen, Wärmedecken oder auch über erwärmende Salben bzw.
Lösungen können bestimmte Rückenleiden gelindert werden.
e. Gezielte Bewegung des Pferdes:
Pferde mit Rückenproblemen sollten regelmässig longiert werden. Es
empfiehlt sich dabei, Hilfszügel zu verwenden, um die Rückentätigkeit zu
verbessern. Dieser Hilfszügel sollte keine starre Verbindung zwischen Kopf und
Rücken darstellen, weil sonst weitere Verkrampfungen entstehen können. Aus
diesem Grund ist ein Gogue oder ein Jambon vorteilhaft.
Merke: Hilfszügel können helfen, die Rückentätigkeit des
Pferdes zu verbessern; mit dem Gogue-Hilfszügel wird eine elastische Verbindung
zwischen Kopf und Rücken hergestellt.
Pferde mit Rückenproblemen sollten nicht oder nur selten in starker
Aufrichtung geritten werden. Auch das starke Aufchecken bei den Trabern
belastet den Rücken zusätzlich. Jede Massnahme, die zu einem konkaven Rücken
führt, ist daher bei rückenkranken Pferden kontraindiziert. Pferde müssen
vermehrt in die Tiefe, also
Vorwärts-Abwärts geritten werden.
Dressurlektionen, gymnastizierende Arbeit, Stangen- und Cavalettiarbeit
gehören in jedes Trainingsprogramm, gleich welcher Sportpferdedisziplin man
angehört. Auch konditionsfördernde Arbeit, wie lange, ruhige Galoppaden oder
Bergtrab, dürfen nicht vergessen werden.
f. Medikamente:
Entzündungshemmer werden
systemisch und ebenso örtlich eingesetzt. Mittels verschiedener Medikamente
können Entzündungen und Verletzungen äusserst wirksam behandelt werden.
Bei bestimmten Rückenveränderungen werden kortisonhaltige Präparate direkt
an die Wirbelgelenke oder in die kurzen Rückenbänder injiziert. Diese
Medikamente reduzieren die Entzündung und die Schmerzempfindung, so dass die
Pferde wieder besser über den Rücken laufen. Ein Pferd mit Rückenschmerzen
verspannt sich und benutzt seine Rückenmuskeln nicht, was zu einem weiteren
Muskelschwund führt und das Rückenproblem somit noch zusätzlich verschlimmern
kann.
Systemische Therapie: In der Regel werden NSAIA in den üblichen Dosierungen
und abhängig vom Problem zwischen einer und drei Wochen eingesetzt.
Lokale Therapie: Dazu werden verschiedene Kortikoide verwendet, abhängig
vom Patienten kurz- oder langwirksame Präparate. Gelegentlich werden noch verschiedene
Lokalanästhetika beigemischt. Die Injektion wird an den schmerzhaften Regionen,
genau in der Medianen zwischen den Dornfortsätzen der Brust- bzw.
Lendenwirbelsäule in einer Tiefe von ca. 5-6 cm gemacht. Absolute aseptische
Vorgangsweise ist natürlich erforderlich. Anschliessend an diese Behandlung
wird das Pferd während einer Woche in allen Gangarten ausgebunden während 2x30
Minuten longiert.
Muskelmedikamente sind
bei Problemen der Rückenmuskulatur ebenso indiziert. Je nach Muskelerkrankungen
werden Medikamente eingesetzt, die Muskelkrämpfe lösen oder den Muskelaufbau
fördern können.
Methacarbamol: dies ist ein zentralwirksames Muskelrelaxans, das bei den
Pferden eine gute Wirkung bei Rückenmuskelverspannungen zeigt.
Dosierung: 10 mg/kg für 5 Tage und 5 mg/kg für 10 Tage, po
Anabolika: helfen beim Aufbau der Muskulatur
g. Chirurgische Therapie:
Bei den Kissing spines kann die chirurgische Entfernung von Dornfortsätzen
der Brustlendenwirbelsäule erforderlich werden. Dabei werden einzelne oder
mehrere Dornfortsätze entfernt. In einzelnen wenigen Fällen kann diese
Operation auch von Erfolg gekrönt sein.
h. Physiotherapie:
Die Physiotherapie hat in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte bei
den Pferden gemacht. Während früher die Techniken aus der Humanmedizin
kritiklos bei den Pferden eingesetzt wurden, wird heute die Physiotherapie bei
den Pferden immer mehr auch wissenschaftlich durchgeführt. Es gibt in
verschiedenen Ländern wie auch in der Schweiz eine eigene Ausbildung für
Pferdephysiotherapeuten, wo neben den physiotherapeutischen Techniken auch viel
Anatomie und Physiologie des Pferdes unterrichtet wird. Daneben sind auch
mehrere Bücher erschienen, in denen die Physiotherapie beim Pferd ausführlich
beschrieben wird.
Die Physiotherapie arbeitet heute mit verschiedenen Techniken, die je nach
Problem vermehrt zum Einsatz kommen. Massagetechniken, Laser, Ultraschall,
Magnetfelddecken, elektrische Muskelstimulation und auch aktive
Bewegungstherapie können alleine oder unterstützend bei Rückenerkrankungen
eingesetzt werden.
i. Akupunktur:
Die Akupunkturbehandlung besitzt beim Pferd eine lange Tradition. Bereits
vor 3000 Jahren wurden Pferde erfolgreich mittels Nadeln behandelt, was jedoch
lange Zeit in Vergessenheit geriet. In den letzten Jahren ist die
Akupunkturbehandlung beim Pferd wieder
sehr populär geworden. Verschiedene neuere Untersuchungen konnten belegen, dass
durch die gezielte Reizung von bestimmten Akupunkturpunkten Nerven stimuliert
oder beruhigt, die Durchblutung verbessert, Neurotransmitter freigesetzt und
auch Abwehrzellen aktiviert werden.
Gerade der Rücken nimmt in der Akupunktur eine zentrale Rolle ein, weil
ebenfalls Erkrankungen der inneren Organe durch Akupunkturpunkte am Rücken
behandelt werden. Daneben können besonders bei chronischen Rückenschmerzen mit
der Akupunktur grosse Erfolge erzielt werden.
j. Osteopathie und Chiropraxis:
Im Vergleich zur Akupunktur ist die Osteopathie noch eine junge Therapie.
Sie wurde beim Mensch zum ersten Mal im 19. Jahrhundert beschrieben. Beim Pferd
wurde diese Untersuchungs- und Therapiemethode erst in den 70 iger Jahren in
Frankreich und Amerika an vielen Pferden angewendet.
Im Zentrum der Osteopathie und Chirorpaxis steht die Beurteilung der freien
Beweglichkeit der einzelnen Gelenke. Dabei wird auch grosses Augenmerk auf die
Beweglichkeit der einzelenen Wirbelgelenke gelegt. Infolge einer
Wirbelblockierung, Wirbelfixierung oder einer Wirbelsubluxation kommt es zu
einem Bewegungsverlust eines oder mehrerer Wirbel. Dies führt zu einer
Bewegungseinschränkung und dann weiter zu Muskelkontraktionen und
Muskelatrophien. Infolge dieser Blockaden können andere Körperteile vermehrt
belastet und vielleicht auch überbelastet werden. Daher versucht der Osteopath
durch spezifische, schnelle und präzise Bewegungen die Blockaden zu lösen,
damit die ursprüngliche Funktionsfähigkeit und Beweglichkeit der Wirbelgelenke
wieder hergestellt werden kann.
k. Neuraltherapie:
Bei der Neuraltherapie werden Lokalanästhetika an bestimmten Regionen
injiziert, um eine nervale Reizleitung reversibel zu unterbrechen. Die
Infiltration wird intrakutan, subkutan, intramuskulär oder präperiostal gemacht
Im Zentrum der Prophylaxe von Rückenerkrankungen steht das vernünftige und abwechslungsreiche Training
des Pferdes. Weiter ist der Erfolg nur dann möglich, wenn das Pferd unsere
Hilfen versteht und somit auch gezielt ausgebildet werden kann. Damit steht am
Anfang jeder körperlichen Ausbildung das Schulen der Verständigung zwischen
Reiter und Pferd.
Die Grundgedanken bzw. Skala der Pferdeausbildung, die schon mehrere
hundert Jahre alt sind, müssen beachtet werden:
Takt: korrekter Takt im Schritt (4 T), Trab (2 T) und Galopp (3 T)
Losgelassenheit
Anlehnung
Schwung
Geraderichten: das Pferd muss immer gerade gerichtet werden, auch in den
Volten, auch bei der Schlangenlinie.
Versammlung.
Und vor dem Takt steht wahrscheinlich noch die Sicherstellung der
Selbsthaltung des Pferdes
Je besser die Rückenmuskulatur entwickelt wird, desto besser kann auch das
Reitergewicht getragen werden, so dass die anderen Elemente des Rückens
geschont werden.
Dressurlektionen, gymnastizierende Arbeit, Stangen- und Cavalettiarbeit
gehören in jedes Trainingsprogramm gleich welcher Disziplin. Auch konditionsfördernde
Arbeit, wie lange, ruhige Galoppaden oder Bergtrab dürfen nicht vergessen
werden.
Ein passender Sattel mit dem richtigen Sitz ist eine Selbstverständlichkeit
und sollte keiner besonderen Erwähnung bedürfen.
Freie Bewegung auf der
Weide oder auf einem Paddock fördern ebenso die Rückengesundheit.
Zum Schluss möchte ich noch Jan Bemelmans, ein erfolgreicher deutscher
Dressurtrainer zitieren: Rund über den Rücken mit langem Hals in die Tiefe soll
das Pferd gearbeitet werden. Auch Dressurpferde sollen ins Gelände geritten,
lange galoppiert und viel longiert werden. Zudem brauchen alle Pferde eine
Pause von den regelmässigen Dressurlektionen.
Back Problems. The veterinary clinics of North America, Equine Practice, April 1999 (sehr empfehlenswert).